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Herbst 3/2024

Körper

Das Titelblatt der zweiten Ausgabe 2021 mit dem Schwerpunktthema "Körper".

Ausgabe 2/2021 – Schwerpunkt: Körper

In der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Körper und Sexualität werden Vielfalt und Selbstbestimmung sichtbarer. Wurde die Vulva über Jahrtausende schamhaft verborgen, findet sie heute vielfach Verbreitung als Symbol weiblicher Freiheit. Selbstbestimmte Praktiken werden offensiver verhandelt, wie die Bedeutung des gegenseitigen Einverständnisses – „Yes means Yes“ statt „No means No“.
Die Aneignung von Sprache und Bildern ist seit jeher Teil feministischer Kämpfe um körperliche und sexuelle Selbstbestimmung, doch sie sind noch lange nicht zu Ende gefochten.

Der Instagram-Kanal „Wenigstens ein hübsches Gesicht“ macht sichtbar, wie mehrgewichtige Menschen beleidigt und diskriminiert werden – sog. Fatshaming. Gegen alte und neue Schönheitsideale, die unsere Körper beschämen und als mangelhaft ausweisen, setzen sich Bewegungen wie Fat Acceptance und Body Positivity ein. Die Autorin Anuschka Rees macht sich hingegen für Body Neutrality stark: „Anders als bei Body Positivity ist das Ziel nicht, den eigenen Körper zu lieben […], sondern das Selbstwertgefühl sehr viel weniger an die äußere Erscheinung zu koppeln.“ Doch wie frei können wir darüber entscheiden? Oder mit der Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner gefragt: „Wer kann es sich in immer prekärer werdenden Gesellschaften schon leisten, die Privilegien aufzugeben, die mit Normschönheit einhergehen?“

Neben emanzipatorischen Handlungsweisen halten sich strukturelle Ungleichheiten und Machtverhältnisse. Frauen sind mehrheitlich von (sexualisierter) Gewalt betroffen. Das Risiko sexualisierte Gewalt zu erfahren ist für Frauen mit Behinderung zwei- bis dreimal so hoch, ergab eine Studie im Auftrag der Bundesregierung. In den USA ist die Müttersterblichkeit Schwarzer Frauen dreimal so hoch wie die weißer Frauen.
Die gesellschaftliche Normierung von Körpern – wie weiß, schlank, jung, nicht-behindert, heterosexuell und binär – verweist auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Formen der Unterdrückung. Damit verbunden ist die Stigmatisierung von Körpern. Rebecca Maskos, Journalistin und Aktivistin der Behindertenbewegung, spricht von einer „Zwangsnichtbehinderung“. Journalist*in Hengameh Yaghoobifarah weist auf das Vorurteil hin, „dass ‚Ausländer‘ faul und schmutzig sind“: „Rassismus und Dickenhass gehen hier Hand in Hand“.
Noch bis 2019 wurden Transgender als ungesund in der Liste der geistigen Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation verzeichnet. Dass der Körper als Beweis für Geschlechtsidentität oder Charaktereigenschaften herangezogen wird, zeigt, wie eng die gesellschaftlichen Grenzen sind, in denen wir uns bewegen. Zu verstehen, dass unsere Vorstellungen von „normal“, „schön“ oder „gesund“ nicht naturgegeben, sondern gesellschaftlich produziert sind, birgt die Chance auf Veränderung. „Es geht darum zu verlernen, was wir meinen über Gender und Sexualität zu wissen“, so die schwedische Fotografin Claudia Kent, die nackte Queers portraitiert.

Unser Schwerpunkt reflektiert den Zusammenhang von Körper, Geschlecht und gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Außerdem stellen wir feministische Projekte vor, die sich für weniger Tabus, mehr Diversität und Selbstbestimmung einsetzen.

(aus der Einleitung von Isolde Aigner und Tina Berntsen)


Covergestaltung

Wir bedanken uns herzlich bei Lisa Strautmann für die gestalterische Zusammenarbeit in dieser Ausgabe! Die Fotos der Künstlerin illustrieren das Titelbild und Seiten des Schwerpunkts. Mehr von ihrer Fotografie könnt ihr auf der Webseite www.lisa-strautmann.com entdecken oder folgt ihr auf Instagram: lisastrautmann.

Cover „Körper“ © Foto: Lisa Strautmann / WIR FRAUEN Ausgabe Sommer 2/2021


Inhalt dieser Ausgabe

Schwerpunkt: Körper
Einleitung: Zwischen Freiheit, Vielfalt, Gewalt und Normierung
von Isolde Aigner und Tina Berntsen

Körper, Klasse, Kapital – ein Teufelskreis
von Jette Maria Floeth

Für einen selbstbestimmten Umgang mit der eigenen Gesundheit
von Annegret Kunde

Gewichtsdiskriminierung intersektional gedacht
von Maria González Leal

Let’s talk about sex
von Annegret Kunde

Das weibliche Begehren politisch in Kraft setzen! Vom Denken der Sexuellen Differenz zur weiblichen Freiheit
von Isolde Aigner und Sandra Hettmann

„Ich wollte meinem Körper und mir die Zeit geben, die wir brauchen“
Eine gemeinsame Arbeit zum Thema Fehlgeburt von Paula Tuschner (Text) und Lisa Strautmann (Fotos)

Meine feministische Wahrheit
Meinungsfreiheit für wirklich alle
von Sheila Mysorekar
(Der Beitrag ist zuerst in der Zeitung nd erschienen.)

Krieg & Frieden
„Ich habe für Euer Recht, mich zu hassen, gekämpft“
Debatten um den „Trans Military Ban“ in den USA
von Tina Füchslbauer und Melanie Stitz

Gendergerechtigkeit bei der Energiewende
von Annegret Kunde

WHO CARES?! Kämpfe um Reproduktion und Gewerkschaftsarbeit
Frauen beraten Frauen: Feministische Therapie von ihren Anfängen bis zur Pandemie
von Christiana Puschak

Herstory
60 Jahre Einführung der Pille
von Annegret Kunde

Der Frauenfriedensmarsch von Kopenhagen nach Paris 1981
von Daniela Weißkopf

Projekte
Jumen: Weil alle Menschen Rechte haben
von Gabriele Bischoff

Gesehen
Frauen der Wissenschaft
von Gudrun Lukasz-Aden / Christel Strobel

Kultur
Internationales Frauen* FilmFestival Dortmund/Köln

Daten und Taten
Ruth Berlau / Margareta Heinrich

… und sonst
Hexenfunk
Gehört – Feministische Podcasts
Gelesen


Die Ausgabe kann direkt und einfach per Formular auf unserer Webseite bestellt werden: https://wirfrauen.de/kontakt-abo