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Frühjahr 1/2024

Feministische Publikationen

Kostbar und prekär: Alternative Medien wider den Main- und Malestream

Medienkonzentration hat viele Gesichter: Verschiedene Medientypen wie Presse und Fernsehen liegen in einer Hand, Unternehmen besitzen gleich mehrere Zeitungen oder sie sind verflochten mit anderen Branchen, vom Großhandel über Touristikunternehmen bis hin zur Atom- und Rüstungsindustrie, auch über nationale Grenzen hinweg. „So wachsen die globalen Unternehmen Schritt für Schritt zu Konzernen mit immenser ökonomischer Macht zusammen, die konkurrenzlogisch und profitorientiert agieren und ein globales Kommunikationskartell bilden“, so die Politologin Christiane Leidinger. Sie beschreibt, wie Privatisierung, Durchkapitalisierung, Mehrfachverarbeitung von Nachrichten und Bildern, Monopolisierung und Vermachtung die Medienlandschaft prägen. Unendliche Freiheit und Vielfalt sind demnach letztendlich nur schöner Schein.

Zudem tragen die schlechten, oftmals prekären Arbeitsbedingungen im Journalismus dazu bei, dass die kritischen Ansprüche an den Berufsstand sinken. Die „SelbstZensur“ wird offen praktiziert oder unbewusst verinnerlicht. (Christiane Leidinger: „Medien, Herrschaft, Globalisierung. Folgenabschätzung zu Medieninhalten im Zuge transnationaler Konzentrationsprozesse“, Westfälisches Dampfboot 2003.)

Alternative Medien vertreten dagegen den Anspruch, kritisch zu berichten, und leugnen ihre Parteilichkeit nicht. Sie politisieren den Alltag, sie wollen ihre NutzerInnen nicht „betäuben“, sondern sie empören und mobilisieren, um einen gegenhegemonialen Block zu schaffen. Nicht zuletzt wollen sie ihre NutzerInnen selbst zum Medienmachen ermutigen und befähigen – Beiträge und Mitarbeit sind willkommen, Zines sollen selbst kopiert und weiterverteilt werden.

Alternative Medien gedeihen auf dem Unbehagen mit den Verhältnissen wie mit den Medien, die diese bejahen und bestätigen. Folgerichtig hatten sie ihre Hochzeit als Teil der verschiedenen sozialen Bewegungen in den 1980er Jahren und ringen heute meist um ihren Fortbestand. Weniger finanzielle Not, vielmehr die nachlassende Resonanz und das Ausbleiben jüngerer Frauen waren die Gründe, warum z. B. wichtige Zeitschriften wie die Courage, die Ihrsinn, die Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis oder jüngst die AUF ihr Erscheinen eingestellt haben.

Zugleich hat sich die Medienkritik professionalisiert und akademisch etabliert, ein Ausdruck auch des „cultural turns“, der Hinwendung zu Fragen der kulturellen Repräsentation und Konstruktion in der feministischen Bewegung. Zahlreiche Studien sensibilisieren dafür, wie uns auf mehr oder minder subtilen Wegen Tag für Tag vermittelt wird, wie Männer und Frauen angeblich wirklich sind. Noch immer werden Frauen häufiger als Opfer und Betroffene und weniger als Expertinnen, häufiger „privat“ als im Job, in der Werbung eher liegend oder schwebend und seltener stehend als Männer gezeigt. Migrantinnen schaffen es vorwiegend als Klischee in die Medien.

Medien stellen selbst „Wirklichkeit“ her. „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“, schrieb Niklas Luhmann. Friedlicher Widerstand hat kaum Nachrichtenwert, sei es im Irak oder bei der Demo hierzulande. Was nicht ins Fernsehen kommt, das hat sich nicht ereignet. Mit Afrika assoziieren wir spontan Bilder von Hunger und Kindersoldaten. Schlagworte schaffen das Klima für rassistische Taten, der Mord an der Ehefrau wird zur „Familientragödie“ verharmlost. Die Reihe ließe sich fortsetzen.

Alternative Medien haben dagegen den Anspruch, andere Bilder der Wirklichkeit zu zeigen und Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Es ist nur logisch, dass sie derzeit marginal bleiben und nur von denen genutzt werden, die wissen, wo sie zu finden sind: im Frauenbuchladen, in der linken Buchhandlung, bei Veranstaltungen und Demos oder auf den einschlägigen Seiten im Internet. Die NutzerInnen sind tendenziell WeggefährtInnen, GenossInnen, MitstreiterInnen. Für sie sind „ihre Medien“ im besten Falle Foren für programmatische Debatten und Orte, an denen sie die Widersprüche ihres Alltags reflektieren, „Alltagsverstand“ und „Denkreflexe“ hinterfragen sowie Ideen für Vernetzung und solidarisches Handeln austauschen können.

Alternative Medien wider den Main- und den Malestream sind kostbar und stets prekär. Das vor Augen: Vielleicht macht es Sinn, doch lieber eine Zeitschrift mehr als eine zu wenig im Abo zu haben.

In diesem Sinne stellen Wir Frauen-Redakteurinnen auf den kommenden Seiten eine Auswahl ihrer Lieblingszeitschriften und Informationsquellen vor.

Zudem beschreibt Mechthilde Vahsen die Anfänge der Frauen-Zeitschriften in Deutschland und Mirjam Sachse erinnert an die „Gleichheit – Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen“. Raffaela Lindorfer schreibt über Florence Hervé und „Wir Frauen“ und ihre Rolle in der Neuen Frauenbewegung. Doris Hermanns, Britta Jürgs und Susanne Webel stellen die „Virginia“ vor. Die Kolleginnen vom Journalistinnenbund fassen die Ergebnisse des Global Media Montoring Projects 2009/2010 zur Präsenz von Frauen in den Medien zusammen.

 

Inhalt dieser Ausgabe

Kostbar und prekär: Alternative Medien wider den Main- und Malestream

Von Melanie Stitz

„Dem Reich der Freiheit werb´ ich Bürgerinnen“

Mechthilde Vahsen über die Anfänge der Frauen-Zeitschriften

Eine „Ruferin (…) im Streit“

Mirjam Sachse über „Die Gleichheit“

Zur Präsenz von Frauen in den Medien

Das Global Media Monitorin Project erhebt Zahlen

Die Bucher der Frauen

26 Jahre Virgina Frauenbuchkritik

Literatur zum Schwerpunkt

 

Meine feminstische Wahrheit


Katharina Volk kommentiert die Quote

Stephanie Mayfield kommentiert feministische Generationenkonflikte

 

Krieg und Frieden


Frühling für die arabischen Frauen?

Karin Leukefeld schaut ein Jahr nach den Umbrüchen hin

 

Projekte


Frauen im Widerstand – ein Buchprojekt

 

Kultur


Kunst- und Kulturtermine 2012

 

Herstory


Hedwig Dohm und Die Antifeministen

 

Gesehen


Kairo 678

Vorschau: Internationales Frauenfilmfestival Dortmund|Köln

 

Daten und Taten


Margot Schröder / Gabriele Bischoff

 

Außerdem

Nachruf auf Christa Wolf

Hexenfunk

gelesen

button-alteausgabenWir haben in vergangenen Ausgaben gestöbert. Dabei sind wir auf einige Artikel zum aktuellen Thema „Feministische Publikationen“ gestoßen. Die haben wir in einem PDF zusammengestellt, so wie sie in der Zeitschrift gedruckt wurden. Wenn das kein Grund für ein Abo ist …!

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