Solidarität ist eine Waffe – die Stiftung der freien Frau in Rojava
Nicht nur die Peschmerga der Autonomen Region Kurdistan im Irak kämpfen gegen den IS. Es waren und sind vor allem die kurdischen Verteidigungskräfte der YPG (Yekîneyên Parastina Gel) und YPJ (Yekîneyên Parastina Jin), die die fast völlig zerstörte Stadt Kobanê gegen den IS verteidigt und Ende Januar befreit haben. Zu 40 % sind es Frauen die, autonom organisiert in der YPJ, sich und die Menschen in der Region vor den Angriffen des IS verteidigen, der durch Vergewaltigungen, Verschleppungen, sexuelle Folter und Frauenhandel existenzielle Bedrohung vor allem für Frauen ist.
Die Frauen in Rojava haben längst damit begonnen, ihr Leben (wieder) aufzubauen, und leisten einen wesentlichen Anteil auch an zivilgesellschaftlicher, politischer Aufbauarbeit. In Rojava sind Kurd_innen mit dem Projekt des ‚Demokratischen Konföderalismus‘, dem Aufbau einer demokratischen Selbstverwaltung auf der Basis kommunaler Organisierung, orientiert an gemeinwirtschaftlichen und ökologischen Prinzipien, schon seit 2012 erste Schritte zu einem zivilgesellschaftlichen, emanzipatorischen Aufbau der Region gegangen. Im Demokratischen Konföderalismus werden alle Entscheidungsfunktionen von einer gewählten Doppelspitze, einem Mann und einer Frau, bekleidet. BürgermeisterInnen einer Stadt arbeiten zu zweit. Wie in anderen Regionen Kurdistans, etwa in der nordkurdischen Stadt Van (Ost-Türkei), in der es seit 2014 ein eigenes Frauen- und Mädchenzentrum gibt, aufgebaut von Frauen, sind es auch in Rojava Frauen, die jenseits politischer Posten und Aufgaben auf zivilgesellschaftlicher Ebene für ein freies, respektvolles, emanzipiertes und partizipatives Leben die Ärmel hochkrempeln und Strukturen schaffen. „Die freie Frau ist die Grundlage für eine freie Gesellschaft“ ist politischer Ausgangspunkt – auch für die im September 2014 gegründete unabhängige Stiftung der freien Frau in Rojava. Ihre Arbeit ist orientiert auf die lokalen Bedürfnisse, wirkt als Organisatorin und gibt Frauen eine Stimme. Gebraucht werden Gesundheitszentren für gynäkologische, aber auch allgemeinmedizinische oder psychologische Fragen und gesundheitliche Probleme. Ausbildungsmöglichkeiten. Möglichkeiten, außerhalb der Haushalte Fähigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die Weichen dafür stellen, dass Frauen ein eigenes Einkommen, einen eigenen Beruf haben. Arbeitsmöglichkeiten in Frauen-Kooperativen, handwerklich, kunsthandwerklich, landwirtschaftlich. Bildung für Mädchen und Frauen. Hochschulbildung. Einen Ort, an dem Frauen und Mädchen sich treffen, diskutieren, Pläne schmieden, politische Subjekte sind, sich organisieren. Ein Ort, selbst geschaffen und sicher, an dem Gewalt gegen Frauen keinen Platz hat.
Die Stiftung der freien Frau in Rojava unterstützt zudem, gemeinsam mit Initiativen vor Ort, Projekte zur „Entwicklung der Freiheit des Denkens und der freien Persönlichkeit von Frauen und Kindern (und damit auch Männern)“. Der infrastrukturelle Aufbau eines Frauen- und Mädchenzentrums ist da ein Anfang. „Die Eigenständigkeit, die gesellschaftliche Teilnahme und die Aktivitäten von Frauen durch ein von Frauen selbst gestaltetes neues Leben“ haben hier einen Ort – physisch, emotional und politisch. Gemeinsam mit der kurdischen Frauenbewegung von Rojava blickt die Stiftung über den Tellerrand hinaus. „Die freie Frau in Rojava“ ist kurdisch, arabisch, assyrisch oder armenisch – die Idee der „freien Frau als Grundlage einer freien Gesellschaft“ steht daher auch für eine internationalistische Perspektive. Austausch und Vernetzung mit Frauen in der Welt sind politische Anliegen ganz praktischer Natur. Zunächst geht es darum, die Idee der kurdischen Frauenbewegung in Rojava und im politischen Konzept des ‚Demokratischen Konföderalismus‘ international sichtbar zu machen.
Von Anke Hoffstadt
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Das kurdische Frauenbüro für Frieden e.V. – Cenî – mit Sitz in Düsseldorf hat eine Projektkooperation mit Frauen in Rojava ins Leben gerufen. Schwerpunkt ist hier der Aufbau eines Frauenzentrums zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, das in Qamişlo/Rojava eingerichtet wird. Mehr Infos unter www.ceni-kurdistan.com.