„So wie du arbeitest, möchte ich gern mal Urlaub machen …“
Sozial- und Erziehungsberufe aufwerten!
Die Sozial- und Erziehungsberufe bekommen immer noch zu wenig Wertschätzung. Deshalb laufen jetzt Tarifauseinandersetzungen und eine Aufwertungskampagne von ver.di.
Nahezu alle BürgerInnen kommen im Laufe ihres Lebens einmal mit den Sozial- und Erziehungsdiensten (S&E) in Kontakt. Und sie leisten viel, die ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen und HeilerziehungspflegerInnen. In Kitas und in der offenen Jugendarbeit, in Beratungsstellen, Kinderheimen, Jugendämtern und Einrichtungen der Behindertenhilfe, in der Schulsozialarbeit und in Krankenhäusern. Niemand bestreitet das, aber im Gehalt spiegelt es sich nicht wider. Deshalb ist sie dringend notwendig: die Aufwertung aller, die im Sozial- und Erziehungsdienst arbeiten. Immer noch sind es vor allem Frauen, die im S&E-Bereich tätig sind.
Jahrzehntelang wurden sie „Kindergärtnerinnen“ genannt, es herrschte das Bild vor: Das sind Frauen, die nicht viel können müssen, außer lustige Kinderlieder zu singen, zu basteln und Hintern sauber zu wischen. „So wie du arbeitest, möchte ich mal Urlaub machen“ – das mussten sich die KollegInnen lange anhören. Dabei sieht die Arbeitsrealität ganz anders aus.
Nicht nur, dass zu wenig Personal immer größere Gruppen betreuen muss – die Anforderungen an frühkindliche Bildung und Förderung sind gestiegen. Immer mehr Gruppen müssen auf die Bedürfnisse von Babys und Kleinkindern eingehen und Mittagsbetreuung anbieten. Die Kinder werden hier auf die Schule vorbereitet. Auch die SozialarbeiterInnen treffen tagtäglich Entscheidungen, die massive Eingriffe in das Leben von Menschen zur Folge haben, z. B. über die Herausnahme von Kindern aus Familien, über Einweisungen von Menschen in psychiatrische Einrichtung etc. Und auch hier machen Personalknappheit und Befristungen vielen Beschäftigten den Arbeitsalltag schwer.
Der „Gender Gap“ zwischen sogenannten „Männer- und Frauenberufen“ beginnt auch im Öffentlichen Dienst schon direkt nach der Ausbildung: So steht am Ende der Ausbildung „ErzieherIn“ inzwischen ein Abschluss, der dem DQR-Level 6 entspricht. Auf dem gleichen Niveau befinden sich auch viele technische Berufe, die überwiegend von Männern wahrgenommen werden. Die Einstiegsgehälter der technischen Berufe liegen aber um mehrere hundert Euro höher und dieser Unterschied vergrößert sich im Laufe der Berufsjahre.
Viele ErzieherInnen arbeiten nur in Teilzeit. Auch diese Perspektive hält viele junge Männer und inzwischen auch Frauen davon ab, diesen Berufsweg einzuschlagen. Dabei werden bundesweit mehr qualifizierte Fachkräfte benötigt, um gute Bildung in den Kitas zu verwirklichen.
Zum Jahresende hat ver.di deshalb die Tarifvorschriften über die Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst gekündigt. In Rückkoppelung mit der Basis fordert die Bundestarifkommission eine deutlich höhere Eingruppierung der Beschäftigten. Im Schnitt würde das eine Entgelterhöhung von rund 10 Prozent bedeuten. Das weisen die kommunalen Arbeitgeber weit von sich und auch die ersten Pressestimmen sprechen von „überzogenen“ Forderungen. Die KollegInnen stellen sich auch in diesem Jahr auf einen längeren Arbeitskampf im Frühjahr/Frühsommer ein.
Bereits 2009 gingen die KollegInnen in einen mehrere Wochen währenden Streik, an dessen Ende ein Gesundheitstarifvertrag stand, der in vielen Kommunen immer noch nicht umgesetzt ist – weil angeblich kein Geld für die Maßnahmen da ist. 2009 sind die KollegInnen massiv gewachsen, haben Selbstbewusstsein entwickelt, haben gelernt und erfahren, was sie alles gemeinsam auf die Beine stellen können. Verständnis der Eltern und Solidarität der Öffentlichkeit werden auch in dieser Auseinandersetzung der Schlüssel zum Erfolg sein, wenn Kitas und Ämter geschlossen sind, weil die Beschäftigten sagen: „Wir leisten richtig gute Arbeit und wollen dafür auch gut bezahlt werden.“ Auf dieser Seite kann man mit der Solidarität beginnen:
www.soziale-berufe-aufwerten.de/
Von Anna Conrads
(Anna Conrads ist ver.di Gewerkschaftssekretärin im Fachbereich „Gemeinden“, zuständig für den Bezirk Mülheim-Oberhausen.)