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Herbst 3/2024

Sag‘ mir, wo die Lesben sind?

Studie zur (Nicht-)Sichtbarkeit von Lesben in der Presse

Angela Merkels mediale Präsenz verdeckt, dass in ihrer Partei nur 20 Prozent Frauen im Parlament vertreten sind. Und das scheinbar glatte Coming-out von Anne Will täuscht darüber hinweg, dass Lesben in der Medienöffentlichkeit weithin nicht existieren – auch nach über drei Jahrzehnten Frauen- und Lesbenbewegung nicht. Allein als Mütter sind lesbische Frauen in der Presse gefragt.

Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Sag‘ mir, wo die Lesben sind?“ der Journalistin und Kommunikationswissenschaftlerin Elke Amberg. Sie fand heraus: Lesben werden oft nicht als Lesbe benannt, der Begriff „Lesbe“ taucht in keiner Überschrift auf, nur wenige Lesben werden zitiert oder stehen gar im Mittelpunkt eines Artikels. Meist verschwindet lesbisches Leben in all seiner Vielfalt hinter griffigen Formulierungen von „Homo-Ehe“ und „Schwulenparade“, angereichert mit Statements und Beispielen schwuler Männer, illustriert mit Transvestiten im Diva-Look. Zwar suggeriere der insbesondere in der seriösen Presse häufig verwendete und scheinbar neutrale Begriff „homosexuell“ Sachlichkeit und wirke auf den ersten Blick beide Geschlechter umfassend, auf den zweiten Blick stelle sich dann jedoch oft heraus, dass nur schwule Männer gemeint seien. Ein Drittel aller analysierten Artikel enthält diese Art Ausblendung von Lesben. Der Lesben ignorierende Sprachgebrauch geht so weit, dass einige Artikel inhaltlich schlichtweg falsch sind. Sie titeln beispielsweise mit „Steuersplitting für Schwule“ bei einem Thema, das Lesben wie Schwule betrifft.

Die Studie entstand im Auftrag der Münchner Lesbenberatungsstelle LeTRa. Elke Amberg hat die Berichterstattung zu den lesbisch-schwulen Themen „Rechtliche Gleichstellung“ und „Christopher-Street-Day“ (CSD) ausgewertet. Analysiert wurden insgesamt 81 Artikel, die im zweiten Halbjahr 2009 in der „Süddeutschen Zeitung“, dem „Münchner Merkur“ sowie den Boulevardzeitungen „Abendzeitung“ und „tz“ veröffentlicht wurden. Die Artikel setzen sich zusammen aus kurzen Meldungen, Interviews und Berichten, bis hin zu langen, ausführlichen Hintergrundberichten, Reportagen und Features mit Aussagen und konkreten Beispielen lesbisch-schwulen Lebens. Sie befassten sich mit Adoptionsrecht und Regenbogenfamilien, mit Standesamtsöffnung, Coming-out und Diskriminierung, mit Themen, Reden, Events und Betroffenen-Geschichten rund um die CSD-Politparade. Die kommunikationswissenschaftliche Analyse lehnte sich an Methoden des weltweiten Global-Media-Monitoring-Projekts zur Präsenz von Frauen in den Nachrichten an.

Die Lesben-Studie weist auf eine Forschungslücke hin und belegt jedoch erstmals die bisher nur gefühlte „Nicht-Existenz“ von Lesben in den Medien. Aber sie zeigt – dank ihres spezifischen Fokus und vor dem Hintergrund bisheriger Gendermedienforschung – auch auf, welche Qualitäten des Frauenbildes in den Medien insgesamt zu kurz kommen: Weibliches Begehren aus der Sicht von Frauen wird nicht dargestellt und lesbisches Begehren bezogen auf andere Lesben schon gar nicht. Es sei denn als Männerphantasie, zur sexuellen Stimulation. Die Pionierarbeit und die mutigen Lebensleistungen von Lesben – gerade auch in der Frauenbewegung – werden nicht benannt. Zum Teil aus Angst vor einem medienöffentlichen Coming-out, zum Teil weil Frauenbewegung und feministische Themen insgesamt keinen Platz haben im „Malestream“ der Medien. Die Lesbe als Straßenbahnfahrerin, als Krankenschwester, als Ingenieurin oder Rechtsanwältin kommt nicht vor. Dabei hat Berufstätigkeit für lesbische Frauen oftmals noch größere Bedeutung, da es keine Existenzsicherung über den männlichen Partner gibt. Nur das traditionelle Stereotyp wird bedient (und damit zumindest auch gebrochen): Lesbisch-Sein und Mutterschaft.

Das scheinbare Paradox macht neugierig. Betrachtet man/frau die wenigen Artikel zu diesem Thema allerdings genauer, wird deutlich, dass hier vor allem nach dem Wohl der (männlichen!) Kinder gefragt wird. Ein Thema, das seine Berechtigung hat. Aber der Alltag, die Beziehungen, die kreativen Lebensentwürfe lesbischer Frauen und lesbischer Paare jenseits von weiblichen Rollenzuschreibungen bleiben ohne Öffentlichkeit und damit ohne gesellschaftliche Anerkennung – wie im Übrigen auch Lebensentwürfe von heterosexuell lebenden Frauen jenseits der Norm nur selten in den Medien vorkommen.

Weitere Forschungen sind sicherlich notwendig um herauszufinden, welche Auswirkungen diese „Leerstelle Lesben“ für Mädchen und jungen Frauen hat, die im Coming-out auf der Suche nach ihrer Identität als Frau und Lesbe sind und auf Vorbilder verzichten müssen. Die Studie liegt zunächst als Powerpoint-Präsentation mit zahlreichen Pressebeispielen vor. Eine schriftliche Ausarbeitung soll folgen, Kontakt und Informationen unter www.elke-amberg.de.

Elke Amberg