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Sommer 2/2025

Peggy Parnass 1927–2025: Ein bewegtes Leben für Gerechtigkeit und Menschlichkeit

Florence Hervé

(aus WIR FRAUEN Heft 2/2025)

Die schwedische Publizistin und Schauspielerin Peggy Parnass verstarb am 12. März 2025, fast hundertjährig.

Ihr Vater, polnischer Sozialist, ihre Mutter, Halbportugiesin, in Hamburg wohnend, wurden ins Warschauer Ghetto deportiert, von dort später nach Treblinka, wo sie, wie über Hundert ihrer Verwandten, im KZ ermordet wurden.

Peggy Parnass selbst entkam mit ihrem vierjährigen Bruder Gady dem Tod durch einen Kindertransport nach Schweden. Lebte dort in Pflegefamilien. Schule, Schauspiel-, Gesang- und Tanzunterricht in Stockholm. Ab den 1970er Jahren in Hamburg.

Sie arbeitete als Gerichtsreporterin – eine scharfsinnige, sensible und bissige Kolumnistin (Konkret). Die leidenschaftliche Pazifistin, § 218-Gegnerin und Kämpferin für die Rechte der Homosexuellen, war widerständig und unbequem.

Unter ihren Büchern: „Prozesse“ (1992); „Mut und Leidenschaft“ (1993); „Kindheit. Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete“ (2012, illustriert von Tita do Rêgo Silva).

Für den wir frauen-Kalender schrieb bzw. stellte sie Texte zur Verfügung – siehe Auszüge unter „Ansichten einer mutigen Frau“ auf dieser Seite.

Peggy Parnass wirkte zudem als Schauspielerin in Filmen mit, so in „Keiner liebt mich“ von Doris Dörrie (1995). Ihre „Prozesse“ dienten als Grundlage für den Dokumentarfilm „Von Richtern und anderen Sympathisanten“ (1982, Bundesfilmpreis).

Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Joseph-Drexel-Preis für hervorragende Leistungen im Journalismus (1979), Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union (1980), Verdienstorden der Bundesrepublik 2008, Ehrenmitgliedschaft im deutschen PEN-Zentrum 2021.

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Peggy Parnass beim Protest gegen die geplante Verschärfung des Demonstrationsrechts / Hamburg, 1983. Foto: txmx 2 via flickr, CC BY-NC-ND 2.0

Ansichten einer mutigen Frau

Zur Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr
„Sind die Frauen eigentlich verrückt geworden, dass sie an etwas beteiligt werden wollen, was es abzuschaffen gilt? Es gibt linke Feministinnen, die mir sagen, sie würden natürlich den Wehrdienst verweigern, aber sie müssten sich erst einmal die Freiheit zu dieser Entscheidung erkämpfen. Aber wenn ihr schon so aufgewacht seid, das ihr für das bisschen Leben, das ihr habt, kämpfen wollt, dann kämpft an der richtigen Stelle: gegen den Rüstungs- und Militärwahnsinn überhaupt. Oder ist es feministische Logik, sich den freien Zugang zu allen ‚Berufen‘ zu erstreiten, gleich wie unmenschlich sie sind? Soll die Frauenbewegung etwa in den USA um das weibliche Recht kämpfen, Henker werden zu können?“
Konkret, Februar 1979

Zur „Vereinigung“
„Die DDR in fester Umarmung. Diese deutsch-deutsche Besoffenheit. Der verdammte Nationalismus, der immer wieder hochschwappt. Ein saftiger Sumpf für Rechtsradikale.“
wir frauen-Kalender 1991

Zum §218
„Jetzt weiß ich, ein Schweineurteil unter Schweinevoraussetzungen. Sieben Richter, kein Richter aus der DDR, nur eine Richterin. Schon das ist ein Skandal. Hier diktieren Männer die Bedingungen für unser Frauenleben.
Der § 218 soll wieder verschärft werden, so die Verfassungsrichter: Schwangerschaftsabbruch ist grundsätzlich verboten, bleibt aber in den ersten drei Monaten straffrei… Spätestens jetzt wissen die Frauen, wo sie gelandet sind.“
wir frauen-Kalender 1995

Über Deutsche und Migrant*innen
„Die Veränderung in der rechtsradikalen Szene liegt darin, dass jetzt Jünglinge, Kinder, Halbwüchsige ausrasten. Aber die müssen ja denken, dass sie dem Staat einen Gefallen tun. Ich finde, dass sie animiert worden sind. Nur würde sich jeder Politiker, egal wie weit rechts er steht, laut schreiend dagegen wehren, mit Rechtsradikalen in Zusammenhang gebracht zu werden. Jeder würde sagen: ‚Was, wir wollen doch nicht Ausländer umbringen, um Gottes willen‘ Sie zündeln doch nicht. Nein, sie lassen zündeln.“
wir frauen-Kalender 1997

Frauen, Freier und St.Georg
„Wofür bin ich? Genau wie vor 15 Jahren dafür, dass den vielen geilen Böcken das kurze Pseudo-Amusement verwehrt wird. Sie sollten sich Sexualität mit anderen Mitteln als denen des Geldes oder der Gewalt andienen. Und den Frauen wünsche ich einen anderen Status. Sie sollten staatlich angestellt, wie Krankenschwestern, auf Krankenschein, für wirklich bedürftige Männer arbeiten. Wie für andere Kranke auch. Normal besoldet, normal versteuert. Geachtet.“
wir frauen-Kalender 2002

Im Westen nichts Neues
„Die Angst, dass plötzlich ein Krieg kommt… Kein Wunder, dass sich die kleine Gruppe internationaler Waffen- und Todesprofiteure nicht gram sein kann. Sie sind Kumpane, sie brauchen einander. Aber vor allem brauchen sie die gehorsamen Idioten aller Länder, ohne die sie selber nichts wären. Juni 1980.
Wie furchtbar, dass dieser Text immer weiter aktuell ist. Juni 2004.“
wir frauen-Kalender 2005

Die Satanei der Ungleichheit
„Gleichberechtigung der Frau ist nur möglich, wenn Menschen überhaupt gleichberechtigt sind… Als Chance für uns sehe ich nur, uns gegenseitig auf allen Gebieten zu unterstützen und aufzubauen. Solidarität! Wenn wir Frauen uns Freude, Frauen, Männer, Jobs und Selbstvertrauen zuspielen würden, statt einander Lebenswichtiges aus der Hand zu schlagen, wären wir ein Stück weiter. Da ist Platz für uns alle. Alles eine Frage der Umverteilung!“
wir frauen-Kalender 2006