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Herbst 3/2024

Mana wahine – Die Stärke von Frauen

Ein Interview mit Aneta Chadderton, Mitarbeiterin der Gewerkschaft Unite in Aotearoa (Maori-Name für Neuseeland) über Feminismus, Gewerkschaftsbewegung und die Fast-Food-Branche

Von Eliane Kurz

Arbeiten auf Abruf, nicht wissen wie viele Stunden man von Woche zu Woche hat. Sich abschuften in hektischen und unterbesetzten Fast-Food-Läden. Und das für einen Stundenlohn von $ 6,52 (4,44 €), wenn man unter 18 ist. Das war die Realität für Fast-Food-Arbeiter_innen in Aotearoa zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Gewerkschaft Unite gründete sich 2003 mit dem Ziel, die prekarisierten Arbeiter_innen zu organisieren und ihre Arbeitsbedingungen radikal zu verbessern. Unite organisierte 2006 den weltweit ersten Starbucks-Streik und erstritt seit ihrem Bestehen die Anhebung des Mindestlohns auf $15,25 (10,38 €), die Abschaffung von sogenannten Zero-Hours-Verträgen, die den Arbeiter_innen keine Mindestarbeitszeit garantieren, sowie die Abschaffung von Jugendlöhnen (der Mindestlohn für Minderjährige liegt unter dem Erwachsener). Heute repräsentiert Unite über 6.000 Mitglieder in der Fast-Food-Branche, in Hotels, Kinos und Call Centern.

Aneta, du hast 13 Jahre bei KFC gearbeitet. Wie waren dort die Arbeitsbedingungen?

Die Arbeitsbedingungen haben sich inzwischen enorm verbessert. Ich denke, das ist 100% der Tatsache geschuldet, dass die Fast-Food-Branche gewerkschaftlich organisiert wurde. Als ich meine Arbeitskarriere begonnen habe, habe ich $ 6,52 (4,44 €) Stundenlohn bekommen. Und jetzt liegt der Mindestlohn bei $15,25 (10,38€). Als Teenager sehr lange Schichten zu arbeiten und dann plötzlich wegen der Jugendlöhne nur noch 10 Stunden pro Woche zu bekommen, wenn du 18 wurdest: Das war normal. Von einer Woche zur nächsten nicht zu wissen wieviele Stunden man hat: Das war normal. Heute ist normal, zu wissen, wie viele Stunden man jede Woche arbeitet. Und das ist alles der Gewerkschaftsbewegung zu verdanken.

Wie kam es dazu, dass du Teil der Gewerkschaft wurdest?

Ich bin aufgewachsen, ohne groß zu wissen, was Gewerkschaften sind.
Ich war nicht komplett negativ gegenüber Gewerkschaften eingestellt, es war eher so, dass ich nichts über sie wusste. Eines Tages habe ich mit einem Gewerkschaftsmitarbeiter gesprochen. Er sagte, wenn du bereit bist, dich für dich und deine Kolleg_innen einzusetzen, das ist Gewerkschaftsarbeit. Es geht darum, Veränderungen zu erzielen und zu wissen, dass die Dinge immer besser sein können als sie derzeit sind. Das hat mich angesprochen. Denn ich dachte, ich habe mir den Arsch aufgerissen und will dafür etwas zurückbekommen. Ich habe zuerst als Gewerkschaftsdelegierte angefangen und meinen ganzen Laden gewerkschaftlich organisiert.

Was waren die größten Herausforderungen, mit denen du bei KFC zu kämpfen hattest?

Die größte Herausforderung war definitv das Management. Du wirst dazu erzogen, ein kleines braves Mädchen zu sein. Es wird erwartet, dass du machst, was dir gesagt wird. Und als ich der Gewerkschaft beigetreten bin, da hat man gesehen, wie sich Dinge veränderten. Plötzlich wurde ich nicht mehr mit bestimmten Aufgaben betraut, obwohl ich davor die einzige war, die für diese Aufgaben qualifiziert war. Zur Gewerkschaft gehen, das hieß: „Ah du bist jetzt gegen uns“. Was absolut nicht der Fall war.

Wer macht die Belegschaft im Fast-Food-Sektor aus?

Als ich im Fast-Food-Bereich angefangen habe, waren es sehr viele Menschen von den Pazifischen Inseln und Maori. Es haben nicht so viele Migrant_innen dort gearbeitet. Heute ist das anders. Es arbeiten Menschen aus Indien dort, es gibt arbeitende Eltern, es gibt alleinerziehende Mütter. Du hast Menschen mit Abschlüssen, die keinen Job finden und dann im Fast-Food-Bereich arbeiten. Die Belegschaft heute ist sehr viel diverser.

Du bist seit 2015 Gewerkschaftsmitarbeiterin. Was sind deine Erfahrungen damit?
Manchmal ist es der schwerste Job der Welt. Du sitzt diesen Menschen gegenüber, die nur den Mindestlohn verdienen, und denen, die ausgebeutet werden. Das kann sehr schwer für die Seele sein. Du möchtest nichts anderes als positive Veränderung.
Ich persönlich habe Ziele für mein Gebiet. Ich habe geographisch gesehen in Neuseeland ein sehr großes Gebiet. Das bedeutet, dass manche meiner Fast-Food-Läden in aufstrebenden Städten sind, wo Gewerkschaften stark zurück gedrängt werden, weil es sehr kapitalistisch und extrem rechts zugeht.

Siehst du eine Verbindung zwischen der Gewerkschaftsbewegung und dem Kampf der indigenen Bevölkerung für ihre Rechte?
Die Verbindung, die ich sehen würde, ist, dass sehr viel mehr Armut unter der indigenen Bevölkerung herrscht. Im Kapitalismus werden Reiche reicher und Arme ärmer. Ich sehe die Verbindung zur Gewerkschaftsbewegung darin, dass wir genug davon haben. Wir wollen nicht, dass Leute unterbezahlt werden. Wir wollen den Leuten die Augen öffnen und ihnen zeigen, dass es mehr gibt, als die jetzige Situation.

Was für eine Verbindung siehst du zwischen Gewerkschaften und Frauenrechten?
Ich denke, dass es bei Gewerkschaften darum geht, Frauen zu empowern.
Bevor ich Teil davon war, dachte ich, dass die Gewerkschaftsbewegung sehr von Männern dominiert wäre. Heute siehst du Frauen sehr viel mehr für ihre Recht kämpfen.
Unsere Gewerkschaft zum Beispiel besteht jetzt zur Mehrheit aus Frauen.
All diese großen Verbesserungen, die wir hatten, wurden von Frauen vorangetrieben.
Ich bin eine alleinerziehende Mutter von einem 10-jährigen Sohn. Seitdem ich meinen Sohn habe, habe ich die ganze Zeit gearbeitet. Hätten mich nicht die Frauen ermutigt, die vor mir in der Gewerkschaftsbewegung aktiv waren, hätte ich nie daran gedacht, Teil davon zu werden.
Es waren diese Frauen, die mich unterstützt und gesagt haben: „Werd Teil dieser Bewegung, denn du wirst Verbesserungen sehen“.

Glaubst du, dass die Frauen, die all diese Verbesserungen vorantreiben, genug Anerkennung dafür bekommen?
Nein, manchmal bekommen sie das nicht. Und das ist so wegen der männlichen Dominanz.
Aber das ist das, mit dem unsere Vorfahren schon zu kämpfen hatten. Wir waren eines der ersten Länder, dass das Frauenwahlrecht einführte. Und heute gibt es mehr Frauen, die für ihre Rechte und Bedürfnisse einstehen. Also wird diese männliche Dominanz und diese Nicht-Anerkennung sich hoffentlich verändern.

Was sind deine Forderungen?
Letztendlich möchte ich natürlich Gleichberechtigung, bessere Arbeitsbedingungen und Lohngerechtigkeit. Ich hab genug davon, dass Reiche reicher werden und Arme ärmer.
Es geht darum, unsere Arbeiter_innen zu empowern, zu sagen: „Hey, wir haben so viel erreicht und wir können noch so viel mehr erreichen.“ Ich finde es wichtig, dass wir diese Veränderungen jetzt vorantreiben. Damit es normal ist, Arbeitsrechte und einen anständigen Lohn zu haben, wenn unsere Kinder älter sind. Und ich denke, die Gewerkschaftsbewegung hat einen großen Anteil daran, das zu erreichen.