Lohn für Hausarbeit
Alte Kämpfe, aktuelle Forderungen
Konflikte um Reproduktion, um Care-Arbeit, sind nicht neu: Es geht um Gemeinschaften, darum, was Männer von Frauen erwarten, und um die Probleme, die sich bei Frauen einstellen, wenn sie ihr Leben selbstbestimmt planen. Es sind Fragen nach Vereinbarkeiten, nach Hausarbeit oder außerhäuslicher Erwerbsarbeit. Das sind globale Fragen, die sich noch immer vor allem an Frauen richten. Denn – und auch dieses Phänomen ist nicht neu – viele Männer sehen die Bedürfnisse von Frauen nicht.
Die Situation von Frauen in der Gesellschaft wurde 1953 von einer US-amerikanischen Frauengruppe in der Schrift „Der Platz einer Frau“ analysiert. Die Publikation erschien anonym, die Marxistinnen hatten Sorge vor Anfeindungen in den antikommunistischen USA. Die Autorinnen beschrieben die Herausforderungen, denen sich (Ehe-)Frauen gegenüber gestellt sahen, und das Problem, das all die Arbeit, die von ihnen erwartet wurde, nicht zu stemmen sei. Die Leistungen von Frauen werden verschwiegen und unterschlagen. Eine Frau werde dazu erzogen, das Haus sauber zu halten, dabei prägen Monotonie, Isolation und Langeweile die Hausarbeit, die nie endet. Hausarbeit ist umfangreich und nicht bestimmbar.
Doch Frauen wollen mehr als nur Hausfrau sein, sie wollen sich verwirklichen. Die Marxistin Selma James, Mitautorin von „Der Platz einer Frau“, veröffentlichte den Text 1972 erneut, zusammen mit dem Manifest „Die Macht der Frauen und der Umsturz der Gesellschaft“, welches maßgeblich die Italienerin Mariarosa Dalla Costa verfasste. Neben zahlreichen Übersetzungen wurden die Schriften 1973 auch ins Deutsche übertragen.
Die Hausfrau rückt in das Zentrum des Buches, die Autorinnen beschreiben, wie Hausarbeit und andere Formen der Fürsorge-Arbeit Frauen außerhalb des Produktionszirkels stellt, obwohl die unbezahlte Frauenarbeit die Voraussetzung für eine funktionierende Produktionsarbeit ist.
Die gestochen scharfe Analyse ist erschreckend aktuell: Der Fakt, dass Hausarbeit unbezahlt ist, verschleiert, dass es sich um Arbeit handelt. Mit der Industrialisierung wurde Arbeit außer Haus geschaffen und damit die Trennung der Lebenswelten und Erfahrungsbereiche von Mann und Frau. So erscheint die Frauenarbeit als persönliche Dienstleistung außerhalb des Kapitals.
Dalla Costa betrachtet die „Frauenfrage“, wie sie durch die kapitalistische Arbeitsteilung geschaffen wurde: Alle Frauen sind Hausfrauen; auch diejenigen, die außerhalb des Hauses arbeiten, bleiben Hausfrauen. Sie schreibt: „Niemand von uns glaubt daran, daß sich die Emanzipation, die Befreiung, durch die Arbeit vollzieht. Arbeit bleibt immer Arbeit – sei es im Haus oder außerhalb. […] Wer behauptet, daß die Befreiung der Frau der Arbeiterklasse darin liegt, eine Arbeit außerhalb des Hauses zu finden, erfaßt nur einen Teil des Problems, aber nicht seine Lösung. Die Sklaverei des Fließbands ist keine Befreiung von der Sklaverei des Spülbeckens.“
„Die Macht der Frauen und der Umsturz der Gesellschaft“ wurde zu einem Grundlagentext, auf dem sich die Kampagne „Lohn für Hausarbeit“ entwickelte, vor allem in England und Italien, auch in Deutschland war sie Teil der feministischen Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre.
Die Kampagne „Lohn für Hausarbeit“ erreichte Frauen aus verschiedenen beruflichen Zusammenhängen, organisiert haben sich in ihr neben Studentinnen auch Arbeiterinnen, Sexarbeiterinnen, Hausfrauen und andere Frauen, die zu Solidarität unter ihren Geschlechtsgenossinnen aufriefen.
Der Kampagne zufolge müsse Hausarbeit entlohnt werden, damit sie nicht mehr als selbstverständlich angesehen wird. Das Machtverhältnis zwischen entlohnter und nicht entlohnter Arbeit würde damit aufgebrochen, wie auch das Machtverhältnis zwischen Frau und Mann. Dies formulierten zwei der bekanntesten deutschen Vertreterinnen, Pieke Biermann und Gisela Bock 1977 in der Zeitschrift Courage wie folgt: „Unsere sexuellen Beziehungen mit Männern werden beherrscht davon, daß der Mann der Verdiener ist und deshalb letztlich zu entscheiden hat (…), über das Wann und Wie der sexuellen Beziehungen.“
Eben dieses Dilemma kritisierte auch Dalla Costa: „Ein Machtverhältnis versperrt jede Möglichkeit gegenseitiger sexueller Hingabe und Nähe; aber das Machtverhältnis fordert zwischen Männern und Frauen sexuelle Hingabe und Nähe.“
Die Kampagne „Lohn für Hausarbeit“ ging davon aus, dass die sexuelle Befriedigung des Mannes Arbeit sei und nicht aus Liebe vollzogen werde. So provozierte Gisela Bock 1979 mit folgender Definition von Hausarbeit: „Eine Arbeit, welche die gesamte weibliche Existenz erfaßt: physische, emotionale und sexuelle Hausarbeit, putzen, kochen und einkaufen, trösten und lächeln und geduldig zuhören, beischlafen und vergewaltigt werden.“ Die Frauen plädierten auch an die Männer umzudenken, sich nicht mehr nur bedienen lassen, ihre eigene Situation zu hinterfragen.
In einem Flugblatt der internationalen Lohn-für Hausarbeit-Kampagne schrieben die Frauen 1977: „Wir fordern vom Staat Lohn für Hausarbeit, für alle Frauen:
- Um die Hausarbeit zu verringern, um essen zu gehen, um Maschinen endlich für uns arbeiten zu lassen und um unser Dasein als Haussklavinnen zu verweigern
- Um die Bedingungen und den Lohn für den außerhäuslichen zweiten Arbeitsplatz bestimmen zu können, um entscheiden zu können, ob wir überhaupt diese zweite Arbeit wollen
- Um Männer entgegentreten zu können, wenn wir MIT IHNEN und wenn wir FÜR SIE arbeiten – Geld heißt Unabhängigkeit
- Um zu bestimmen, was für eine Sexualität wir wollen
- Um zu bestimmen, wann und zu welchen Bedingungen wir Kinder haben wollen
- Um unseren Kindern das zu geben, was wir für richtig halten
- Um anständige Wohnungen zu verlangen und zu bekommen
- Um bezahlten Urlaub zu verlangen und zu bekommen VON ALLER ARBEIT“
Ziel der Kampagne war es nicht, die Situation der Hausfrau zu institutionalisieren, sondern Hausarbeit zu verweigern, ihre Struktur und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung infrage zu stellen und die Gesellschaft umzustürzen. Denn, so schrieb Gisela Bock: „Hausarbeit wird sichtbar, wenn sie nicht gemacht wird“ und „weil Frauenarbeit im Haus nichts wert ist, ist sie außer Haus weniger wert; weil für Frauen wenig Geld schon viel bedeutet, kann man sich leisten, sie mit wenig abzuspeisen.“
Eigenes Geld zu fordern sollte demnach das herrschende Machtverhältnisse in Frage stellen, Lohn für Hausarbeit zu bekommen heiße, diese Arbeit als Ausdruck der Natur der Frau zu verweigern, und die weibliche Rolle abzulehnen, die uns das Kapital aufdrängt. Pieke Biermann pointierte die Forderung: „Hausarbeit ist die Schlüsselindustrie der Gesellschaft! Jetzt wollen wir etwas zurückhaben von dem, was wir produzieren.“
Was ist aus dem Kampf geworden? Die Aktivistin Silvia Federici schrieb 2012 über die „unvollendete feministische Revolution“, dass Frauen durch den hohen Anstieg von Beschäftigungen vor allem auf dem Dienstleistungssektor beschränkt bleiben, besonders im reproduktiven Bereich. „Das bedeutet, dass Frauen die zuhause geleistete Hausarbeit gegen die in Restaurants, Krankenhäusern und Kindertagesstätten geleisteten getauscht haben.“ Zugleich habe das Ausmaß der Hausarbeit abgenommen, so Federici, weil Frauen die Disziplinierungen verweigern, und auch, weil sie sich bezahlte Haushaltshilfen leisten. Dabei handelt es sich lediglich um eine Umverteilung auf andere Frauen, nicht um eine gesellschaftliche Verbesserung von Lebenssituationen und geschlechtsspezifischen Zuschreibungen.
Was also tun? Arbeit befreit nicht, die Kampagne „Lohn für Hausarbeit“ hat nicht die geforderten Ziele umsetzen können. Vielleicht hilft ein Rückbezug auf Dalla Costa.
Sie schließt ihre präzise Analyse mit den Worten: „Freud hat gesagt, daß jede Frau von ihrer Geburt an unter einem Penisneid leidet. Er hat versäumt hinzuzufügen, daß diese Art von Neid mit dem Augenblick beginnt, wo sie wahrnimmt, daß einen Penis zu haben, in gewisser Hinsicht bedeutet, Macht zu haben. Erst recht nicht berücksichtigt hat er das Faktum, daß die traditionelle Macht des Penis in eine neue geschichtliche Phase trat, als die Trennung zwischen Mann und Frau zu einer Trennung durch das Kapital wurde. Und hier beginnt unser Kampf.“
Mareen Heying