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Sommer 2/2024

Kolumbien: Entführungen und Verschwindenlassen

Rund zwei Millionen Menschen demonstrierten Anfang Februar gegen die Farc-Rebellen und für die Freilassung der Geiseln. Unter den ca. 700 Geiseln der Guerilla befindet sich die vor sechs Jahren verschleppte Grünen-Politikerin Ingrid Betancourt. Die zusammen mit Betancourt verschleppten Clara Rojas und Consuelo González wurden im Januar auf Vermittlung des Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, einseitig freigelassen.

Eine solche Demonstration erstaunt in einem Land, in dem das Demonstrationsrecht wenig respektiert wird und in dem jährlich über 100 GewerkschafterInnen ermordet werden, MenschenrechtsaktivistInnen mit Ermordung und Verschleppung rechnen müssen. In den letzten zehn Jahren gab es mehr als 4000 Opfer, die vor allem paramilitärische Gruppen und die öffentlichen Streitkräfte zu verantworten haben. Allein im Januar 2008 haben diese zwei Massaker begangen, neunmal gewaltsames Verschwindenlassen, acht Morde, und das Heer hat 16 außergerichtliche Hinrichtungen vorgenommen.

Bei der Februar-Demonstration, vom Staat und privaten Unternehmen z.T. finanziert, wurde totgeschwiegen, dass staatliche Kräfte und vor allem rechtsextreme Paramilitärs für den bewaffneten Konflikt mitverantwortlich sind; auch, dass Gewerkschaften, Menschenrechtsvereine und Angehörigen der Gefangenen der Farc-Guerilla von den Kundgebungen fernblieben. Die Nationale Bewegung der Opfer der Verbrechen des Staates und des Paramilitärs ruft nun zu einer Ehrung der Opfer der Paramilitärs und der Verbrechen des Staates am 6. März auf. Diese Informationen erhielten wir von Margaret Buslay, die seit bald einem Jahr in Medellin lebt. Die Friedenskämpferin arbeitet im Instituto Popular de Capacitación (IPC), im Bereich Konfliktbearbeitung in Schule und Gemeinde.

Die Presseagentur des IPC berichtete am 5.2.2008 von einer Versammlung von rund 300 Personen, in der Mehrheit Frauen, die dagegen protestierten, dass das gewaltsame Verschwinden keine Erwähnung bei der Februar-Demonstration fand. Mütter trugen dabei Fotos ihrer verschleppten Ehemänner, Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter. „Es ist nicht so, dass wir für oder gegen die Farc sind, aber hier sind viele bewaffnete Akteure, die Schaden anrichten“, erklärt Martha Cecilia Suescún. Ihre Tochter ist vor 19 Monaten im Kreis Tarazá, Bajo Cauca von Antioquia verschwunden, ein Territorium unter paramilitärischer Kontrolle. Dora Carvajal hat keine Nachrichten von ihrer Mutter und ihrem Bruder, die beide am 18. August 2000 von einem paramilitärischen Kommando in ihrem Haus im Kreis Bello im Norden von Aburrá festgenommen wurden: „Wir wissen nicht, was sie mit ihnen gemacht haben”. Aura Ríos hat Angst, seit dem eine paramilitärische Gruppe ihren Vater bei einer Straßensperre in Santander vor zwei Jahren festnahm: „Er arbeitete als Fahrer eines Lastwagens und fuhr zu einer nicht genehmigten Uhrzeit durch San Pedro de la Paz. Die Paramilitärs nahmen ihn mit. Er tauchte nie wieder auf.” Aura schmerzt es, dass ausschließlich von den Farc-Entführten und von Führungsleuten gesprochen wird, und dass „diejenigen, die arm sind, nicht beachtet werden.”

In einem Kommuniqué, das von mehr als 50 Organisationen unterstützt wurde, darunter von drei Frauenorganisationen, wird bekräftigt, dass es für diesen bewaffneten Konflikt keine militärische Lösung gibt. Gefordert wird ein humanitäres Abkommen, wonach die Regierung und die Farc ihre Bedingungen unter Beachtung humanitärer Erwägungen flexibler gestalten sollen.