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Sommer 2/2024

Deutschland – Menschenrechte 3:0

„Deutschland gegen die Menschenrechte. Das lang erwartete Duell zweier Gegner, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Für Deutschland heute auf dem Platz stehen nur die waren Größen der Menschenverachtung: Im Sturm, immer bereit zu schießen – der Nationale Stolz. Das Mittelfeld wird wie immer seinen „Mann“ stehen – Menschenhändler und Freiherr und in der Abwehr eine wahre Mauer, hier kommt keiner durch – der Sicherheitsstaat. Mit Spannung blicken wir auf dieses Spiel…

Drei Millionen Fußballfans werden zur WM erwartet und bis zu 40.000 Zwangsprostituierte. Fußball, traditionell ein Männer-Event, reicht allein anscheinend nicht aus zur Unterhaltung und Befriedigung der „Fußballbegeisterten“. Mit Gewalt oder falschen Versprechungen werden zigtausende Frauen nach Deutschland verschleppt und gelockt. Der Deutsche Frauenrat macht mit seiner Kampagne „Abpfiff-Schluss mit Zwangsprostitution“ auf die Not der Frauen aufmerksam. Auf welche Schwierigkeiten so eine Kampagne stößt, zeigt schon wie schwer es für die Initiatorinnen war den Deutschen Fußball Bund (DFB) mit ins Boot zu bekommen. Nur unter Druck einer immer größer werdenden Öffentlichkeit klingte sich der DFB mit in die Kampagne ein. Bei ersten Anfragen fühlten sich der DFB und die Nationalspieler für so eine Nischenkampagne nicht zuständig, schließlich unterstützen sie schon SOS Kinderdörfer und andere Projekte.

Angstmacherei

Urlaubssperre der Polizei, über sechs tausend private Sicherheitsleute, Grenzkontrollen während der WM, das Schengener Abkommen wird außer Kraft gesetzt. Die angestrebte Verfassungsänderung, um die Bundeswehr Innenpolitisch einsetzten zu können ist gescheitert. Ansonsten noch Spezialkameras, die biometrisch die Gesichtszüge der Fans erfassen, überwachte Busse, Züge, Bahnsteige und Großplätze und und und. Gründe für diese Maßnahmen gibt es genug, schon Monate vor der WM haben uns Medien und Politiker auf die Gefahren eines solchen Großereignisses aufmerksam gemacht und somit jegliche Maßnahmen legitimiert. Grade die Kameraüberwachung wird uns über die WM hinaus erhalten bleiben. Vorgegangen bei der Sicherheitsaufrüstung wird nach alt bewährtem Konzept: Angstgefühle werden geschürt, Fußballfans zur gefährlichen Masse erklärt und der Eindruck erweckt mit Kameras und Sicherheitsdiensten wird Sicherheit geschaffen, dabei werden im Endeffekt nur die Kontrollen ausgebaut. Die Bevölkerung fügt sich mit dem Gefühl der so entstanden Sicherheit. Die WM ist also der perfekte Zeitpunkt Deutschland komplett zu überwachen. Grade frauenpolitische Fragen mussten beim Thema Sicherheitspolitik und Stadtplanung schon immer her halten, totale Überwachung unter dem Deckmantel des Frauenschutzes. Das Kameras und ausgeleuchtete Plätze nichts an den gesellschaftlichen Strukturen verändern und somit Gewalt an Frauen und gewaltbereite Hooligans auch nicht verhindern bleibt nebensächlich. Im Endeffekt dienen sämtliche Maßnahmen einer Politik, die „unerwünschte“ Gruppen aus dem Blickfeld der Städte räumen wollen. Junkies, Obdachlose, Punks, Prostituierte und auch ihre Lebensweise werden als für den Normalbürger bedrohlich dargestellt. Auch MigrantInnen sind von dieser Politik betroffen. Die Kriminalisierung bestimmter Gruppen hilft ihre Ausgrenzung voran zu treiben. Für eine vermeintliche Sicherheit verzichten viele wohlwollend auf ihre Rechte und befürworten dieses System der Ausgrenzung. Ein solches Netz an Überwachung stellt alle Menschen unter einen Generalverdacht, soziale Kontrolle schränkt Grund- und Freiheitsrechte ein. Dabei werden lediglich Symptome beseitigt, Ursachen bleiben unbearbeitet und werden unsichtbar gemacht.

Schwarz Rot Gold

Ist der Nationalstolz der Deutschen durch Kampagnen wie „Du bist Deutschland“ oder „Deutschland – Land der Ideen“ ordentlich aufpoliert worden, macht eine WM im eigenen Land den Nationalstolz wieder vollends Salonfähig. Was sonst verpönt ist, ist völlig legitimiert bei Weltmeisterschaften: vom Nationaltrikot und Flaggen über Deutschland Feuerzeuge oder Socken, bis zum singen der Nationalhymne – all dies gehört nun mal zu einer WM dazu und wird gänzlich kritiklos zelebriert. So wie es selbstverständlich ist, natürlich für Deutschland zu sein. Schon Kinder erlernen so Nationalismus. Es braucht keine extreme Rechte mehr, der Nationalismus wird ganz einfach in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft transportiert. Gemeinsam verbündet sich eine Nation gegen alle anderen. In Tabellen werden die Nationen verglichen, es lässt sich eine genaue Rangfolge der „Völker“ feststellen. Allein die Sprache der SportreporterInnen entlarvt den Waren Charakter des „Kampfes“ zweier Nationen gegeneinander: „Bomber der Nation, Schlachtfeld, Kampfgetümmel, Angriff, Verteidigung, Sieg, Niederlage, Versager oder Helden der Nation“. Alles Kriegsbegriffe. Nichts wertet eine Nation mehr auf, als der Sieg über ein anders Land. Besonders, wenn ärmere Länder gegen die „großen“ Spielen, dann verkommt ein einfaches Spiel von 22 Menschen zu einem Politikum. Ganze Bundeskanzler Wahlen hängen dann sogar von den Ergebnissen ab…

…Das Spiel ist aus! 3:0 für Deutschland! Die Menschenrechte gehen – zu recht – geknickt vom Platz. Wieder eine herbe Schlappe für die eh schon gebeutelte Truppe, aber 2010, bei der WM in Südafrika gibt es ja wieder eine neue Chance…

Das Ergebnis stand eigentlich eh schon vorher fest, denn eine faire Chance hatte die Mannschaft der Menschenrechte eigentlich nie und damit geben wir zurück ins Studio!“

Sonja Klümper