1945: Befreiung und Verantwortung
Wehret den Anfängen! Das ist Lehre und Verpflichtung, die wir aus den Gräueln des Nationalsozialismus ziehen, darin sind wir uns einig. Genau hinsehen und –hören, skeptisch bleiben gegenüber Verallgemeinerungen und achtsam, wenn uns allzu leicht ein „Feindbild“ angeboten wird. Doch was heißt das heute, hier und im Konkreten? Engagiert und mitunter kontrovers haben wir in der Redaktion diskutiert. Die aktuelle Debatte um „den“ Islam, um Integration und „Multi-Kulti“, um Musliminnen und Muslime scheint uns vielfach geprägt von einfachen Antworten, Pauschalisierungen und hoher Emotionalität. Nur zum Vergleich: In Sachen Christentum wird durchaus unterschieden, in einem bunten Spektrum, das von Opus Dei bis zur Theologie der Befreiung reicht – oder von Dorothee Sölle bis zu Joachim Meisner. Im besten Sinne nachdenklich gemacht haben uns die Beiträge von Ulla Jelpke zur gezielten Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen sowie Cristina Fischers Artikel über die den Nationalsozialismus relativierenden Aussagen Alice Schwarzers. Beide Beiträge haben wir daher in den Schwerpunkt aufgenommen.
Wie haben Frauen 1945 erlebt? Waren sie alle Opfer, wie es in vielen Medien beschrieben wird, von der Vertreibung im Osten über die Bombardierungen gegen Zivilisten bis zu Vergewaltigungen von Frauen bei Kriegsende? Mitte Januar verglichen noch sächsische NPD-Abgeordnete das Bombardement in Dresden mit dem Holocaust. In den historischen Auseinandersetzungen wird nicht mehr nach Schuld und Verantwortung gefragt, sondern nach dem eigenen Erleben und Befinden: „Die frühere, schwer zu beantwortete Frage, ‚was hätte ich getan‘, kehrt sich um – ‚was hat man mir getan‘“ (M-Arning, FR 24.1.05). Mit Medienbildern über die NS-Zeit und Frauen in Kriegszeiten setzt sich der Artikel der Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Martina Thiele auseinander. Die Schriftstellerin Erika Runge erinnert sich an die damaligen Bombardements in Potsdam. Noch im Mai 1945 starben viele deportierte Frauen auf den Todesmärschen, an Krankheiten und Entkräftung. Für die Überlebenden wurde der Frühling 1945 als Jahr der Befreiung erlebt. Viele aber mussten lange Jahre schweigen und das Grauenhafte verdrängen, um zu überleben. In Frankreich und in der Tschechoslowakei wurden die Zurückkehrenden als Heldinnen gefeiert, im Franco-Spanien dagegen verfolgt und in die Illegalität gedrängt, in der Bundesrepublik als Verräterinnen betrachtet – entschädigt wurden sie nicht.
In ‚Stimmen von Frauen zur Befreiung‘ dokumentieren wir, wie Ravensbrück- Deportierte aus Spanien, Frankreich, der Tschechoslowakei und Deutschland die Befreiung erlebten.
Ergänzt haben wir den Schwerpunkt um Aussagen von Zeitgenossen, die durch ihre Gleichsetzungen den Nationalsozialismus relativieren und damit die Ungeheuerlichkeiten verharmlosen.
Leider können wir aus Platzgründen die ungehaltene Rede der PDS-Abgeordneten Adelgunde Kahl im Düsseldorfer Rathaus nicht abdrucken. Als Alterspräsidentin hätte sie den in der NRW-Kommunalwahl im Amt bestätigten Oberbürgermeister vereidigen dürfen. Auf die erneute Vereidigung verzichtete OB Erwin, vielleicht weil er sich von einer mahnenden Antifaschistin nicht den Eid abnehmen lassen wollte…
Melanie Stitz und Florence Hervé
Inhalt dieser Ausgabe Gesamte Ausgabe als Download
… und immer wieder mit neuer Kraft…“
Anna Saefkow, genannt Aenne
Astrid Wolters, Historikerin, Mitarbeiterin der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf
Die umstrittene Erinnerung
Der 60. Jahrestag der Befreiung des Frauen-KZ Ravensbrück
Cristina Fischer
Die Arbeitsgemeinschaft „Frauen im Exil“
Inge Hansen-Schaberg
Stimmen von Frauen zur Befreiung
Florence Hervé
Großangriff auf Potsdam April 1945
Erika Runge
Frauen in Zeiten des Krieges
Martina Thiele
Gezielte Diskrimierung
Ulla Jelpke
Die orientalische Gefahr
Cristina Fischer
Infos zum Schwerpunkt
Andere Länder
Notizen vom Friedenstreffen in der Demokratischen Republik Kongo
Kerstin Schultz
Weltfrauenmarsch 2005
Florence Hervé
Kommentar
Wann ist ein Schwan ein Schwan?
Gaby Kullbach
Kultur
Comics für die westliche Welt
„Persepolis“ von Marjane Satrapi
Melanie Stitz
Schneckentanz
Mechthilde Vahsen
Kaffee und Kuchen in der Vorhölle
Erika Manns Kurzgeschichten aus dem Alltag im Dritten Reich
Mithu M. Sanyal
Herstory
Be a black femal communist and be proud of it – Angela Davis
Birgit Gärtner
Daten und Taten
Louise Michel
Florence Hervé
Außerdem
gesehen
gelesen