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Winter 4/2024

Ya basta

Es reicht!

Wir geben uns nicht mit halben Lösungen zufrieden und fordern wirkliche Veränderung, so wirklich, wie die Worte und Kämpfe der Frauen aus Chiapas sind. Damit sie nie wieder als Ware behandelt werden und man ihnen zurückgibt, was ihnen gehört. Ihre Berge und Ländereien, die Wälder und ihre Früchte, ihre Kinder, ihr Schicksal und ihre Sprache.“ Diese Einleitung des Buchs „Das Recht glücklich zu sein“ deutet bereits an, welche aufwühlenden Inhalte darin zu finden sind. Die Dokumentation über das erste Treffen der Zapatistischen Frauen im südmexikanischen Chiapas mit den Frauen der Welt, herausgegeben von zwischenzeit e. V. aus Münster, bietet umfangreiches Bildmaterial, autobiografische Texte und eine DVD mit den eindringlichen und ehrlichen Reden der Indigenas.

Zu dem Treffen vom 29. bis 31. Dezember 2007 erschienen etwa 5.000 Gäste aus 30 Ländern. Die Organisation oblag voll und ganz den Zapatistinnen. Zwar waren sowohl Frauen als auch Männer geladen, doch die Aufgaben waren klar aufgeteilt: Reden und Vorträge gab es exklusiv unter Frauen. Männer wurden des Saales verwiesen. Dafür hatten sie die Aufgabe, während des fünftägigen Treffens zu kochen, zu putzen und auf die Kinder aufzupassen. Und daran hielten sich alle.

Nikola Siller und Dorit Siemers, Teil des Kollektivs zwischenzeit, waren mit dabei. Solidarisch begleitet der Verein die Zapatistischen Frauen seit 1994. In dem Jahr ging die EZLN (Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung) bewaffnet an die Öffentlichkeit, um für ein Leben in Würde zu kämpfen, das den Indigenas vom mexikanischen Staat verwehrt wurde. Die Compañeras und Compañeros wollten lieber im Kampf gegen den Feind sterben als vor Hunger oder an heilbaren Krankheiten. Dabei war es für die Frauen und Männer völlig neu, Seite an Seite zu kämpfen. So berichtet die Comandanta Maribel von Compañeros, die 1984 zu den Indigenas kamen, um diese für den Kampf zu rüsten: „Sie sagten uns, dass die Frauen das Recht haben, in allen Arbeitsbereichen aktiv zu sein.“

Erst da verstand sie, dass es nicht wahr war, was ihr und den anderen Frauen all die Jahre zuvor beigebracht wurde: „dass wir für die Gesellschaft nichts wert seien.“ Mädchen wurden durch die Landbesitzer vergewaltigt, Schwangere zur Arbeit gezwungen, Bildung blieb Frauen verwehrt. Sie wurden von ihren Männern ausgelacht, schlecht behandelt und erniedrigt. Dass unabhängig vom Geschlecht die gleichen Rechte gelten, mussten sowohl die Männer als auch die Frauen erst erlernen.

Das Buch dokumentiert eindrucksvoll den harten Weg der Indigenas. Sie haben gelernt, ihre Stimme zu erheben, wahrgenommen zu werden wie die Männer. Ihre Angst und Scham, Frau zu sein, haben sie abgelegt. 1993 proklamierten die Compañeras das Revolutionäre Frauengesetz, das ihnen in 10 Punkten ihre Grundrechte zusichert. Erweitert wurde es drei Jahre später. In den insgesamt 41 Artikeln wird ihnen unter anderem das Recht auf Ausruhen und Selbstorganisation zugesichert. Und die Regeln wirken. „Wer gegen das Gesetz verstößt, wird sanktioniert“, weiß Nikola Siller.

Nach dem Aufstand 1994, der mit einem Frauenanteil von 30 % geführt wurde, verbesserten sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen. Repressionen erleiden sie vor allem durch die mexikanische Regierung. Denn die Gebiete, auf denen die Indigenas leben, sind reich an Rohstoffen. „Es herrscht ein Krieg niederer Intensität!“, gibt Siller an. „Paramilitärs lassen Döfer räumen, es wird versucht, die Leute in Städte zu verlagern, um sie aus ihrem Gebiet zu vetreiben.“ Die EZLN kämpft weiter. Sie wollen ihre Bräuche und Sprachen erhalten, auf dem Land leben, das ihnen zusteht, und als indigene Bevölkerung anerkannt werden. Vernetzt mit anderen linken Gruppen aus Mexiko haben die ZapatistInnen das Ziel, andere Verhältnisse zu schaffen und eine neue Verfassung. Und so kämpfen auch die Frauen täglich ihren Kampf gegen die sexistische und rassistische Unterdrückung. Sie lehren ihre Kinder, dass Mädchen und Jungen die gleichen Rechte haben, denn sie haben die Hoffnung, dass diese irgendwann in einer besseren Welt leben.

Dafür reicht es nicht, nur in Chiapas und anderen Gebieten zu kämpfen. Die Zapatistinnen fordern alle Frauen auf, für ein Leben in Gerechtigkeit und Würde zu kämpfen, zur Erreichung des gemeinsamen Ziels: Gleichberechtigung.

Mareen Heying

Bestellen

Nikola Siller und Dorit Siemers: „Das Recht glücklich zu sein – El derecho de ser feliz“. Zwischenzeit e. V. Münster, 128 Seiten inkl. Filmdokumentation (DVD deutsch/spanisch, 39 Min), 16 Euro + Porto. Bestellung über buch@zwischenzeit-muenster.de.