Death Valley – Im Tal des Lebens
Shoshone-Frauen kämpfen um ihre Landrechte,
gegen Goldgier und Atommülldeponie
Wir mögen die Bezeichnung ‚Tal des Todes’ nicht“, sagt Barbara Durham, eine 50-jährige Timbisha-Indianerin aus dem Western-Shoshone Stamm mit langem, schwarzen Haar. „Für uns ist Death Valley das Timbisha-Tal“: Das Tal des Lebens, das Tal ihrer Vorfahren – der Native Americans –, die es geschafft haben, unter den unwirtlichsten Wüstenbedingungen zu überleben und zu leben; genannt nach dem Shoshone-Wort für ocker – der Sand, mit dem sich die Indianer/innen vor Sonne schützen und Wunden heilen.
Die Leiterin des Tribal Office sitzt in ihrem brandneuen Büro inmitten von Ordnern und Kisten in Furnace Creek, einer kleinen Wüstenortschaft auf der weißen Salzfläche, 60 Meter unter dem Meeresspiegelniveau, etwas abseits vom Touristenzentrum – gleich soll ein Seminar zur Einführung der Einwohner/innen in die neuen Techniken im Community Center nebenan stattfinden. Es gibt Verspätung, da ein Sturm die Zufahrtsstraße blockiert hat und der Techniker aus Lone Pipe noch nicht da ist.
Barbara Durham erzählt von den alten Zeiten, da ihr Stamm noch friedlich und im Einklang mit der Natur lebte. Den Zeiten, wo sich die Timbisha-Shoshones von Mesquite-Bohnen (roh oder zu Mehl verarbeitet), wildem Spinat und Kohl ernährten, von Chuckwallas – eine Art Leguan, der nach Hähnchenfleisch schmeckt –, von Schlangen, Kaninchen und Wildhirschen. Während der Sommerhitze (bis zu 50 °C im Schatten) gingen Barbara’s Großeltern in die naheliegenden Panamint-Berge, campten beim Wildrose Peak, ernteten Pinyon-Nüsse von den Kiefern und sammelten Beeren, Kräuter und Wurzeln. Mit dem Wasser aus den wenigen Quellen wurde umsichtig umgegangen.
Pauline Esteves, die Tochter einer Timbisha und eines baskischen Maurers, erinnert an die Gesetze ihres Stammes: Naturgesetze, wonach Land, Luft und Wasser geachtet wurden. „Das Pflanzenleben und das Wasser wurden als spirituelles und kulturelles Gut respektiert“, sagt die 84 Jahre alte Frau, die auf die Traditionen ihres Stammes sehr bedacht ist. „Trinken ist bei uns etwas Spirituelles und Heilsames“.
Dann kamen aber die Weißen, auf der Suche nach Gold und nach Geld. Das war 1849. Das Durchqueren des Tals wurde zwar für sie zu einem Desaster – viele Menschen und Vieh verreckten –, die Siedler und die Pacific-Borax-Company blieben, um das weiße Gold der Wüste zur Herstellung von Seife, Reinigungsmitteln und Kunstdünger abzubauen, – und verdrängten die Timbishas. Danach kamen die Touristen: Das Timbisha-Tal wurde 1933 zum Nationalpark Death Valley erklärt, die Native Americans wieder an einen anderen Ort vertrieben und von ihren religiösen Stätten abgeschnitten – diese wichen Hotelanlagen mit Swimmingpools und Golfplätzen. Sie blieben trotzdem im Tal, gründeten das Indian Village mit neun Lehmziegelhäusern, verdingten sich bei der Parkverwaltung oder dem Hotelunternehmen Xanterra. Es waren harte Jahre während der großen Depression und des 2. Weltkriegs, u. a. wegen Mangel an Zucker. Pauline erzählt, wie sie und die anderen Frauen in Furnace Creek Inn – an dem Ort, wo die Timbishas früher ihre Zeremonien abhielten – Datteln sammelten: „Uns schmerzte der Rücken“ nach stundenlangem Pflücken auf den Leitern.
Nach dem Krieg kamen die Touristen wieder, der Nationalpark weitete sich aus. Wenn die Timbishas aus ihren Sommercamps zurückkamen, waren ihre Hütten im Indian Village zerstört. Von den 300 Timbishas zogen manche in die Nachbarregionen. Es blieben rund 50 da. „Meine Großmutter blieb“, erinnert sich Barbara, um die Häuser zu schützen. Erst 1983 wurden sie schließlich als Stamm anerkannt und durften auf einem ihnen zugewiesenen Stück Land bleiben; 1994 versprach man ihnen eine teilweise Landrückgabe. Es bedurfte noch mancher Auseinandersetzungen, bis es Wirklichkeit wurde. Barbara zeigt uns ein Foto, auf dem sie und ihre Tochter Mitte der 90er Jahre durch die Wüste zogen und vor den Nationalpark Services für ihre Landrechte demonstrierten. Es lohnte den Kampf. Der Timbisha Homeland Act, 2001 von Bill Clinton unterzeichnet, gewährte den Timbisha-Shoshones in Death Valley 314 acres (ca. 1,3 qkm – das Tal des Todes beträgt ca. 13.000 qkm).
Es gab weitere Auseinandersetzungen um die Atomtests im Shoshone-Land Nevada. Das Timbisha-Tal ist umgeben von Todeszonen, von einem Militärgelände, das fast doppelt so groß ist wie Death Valley. Im Nevada Testsite fanden bereits Hunderte von ober- und unterirdischen Atombombentests statt – mit den üblichen Krebs- und Krankheitsfolgen. Und es fanden Hunderte Aktionen dagegen statt, in denen indigene Frauen eine entscheidende Rolle spielten. Der Kampf gegen atomare Versuche führte die Grande Dame der Bewegung, Pauline Esteves, nach Europa bis zu den Pazifischen Inseln … und ins Gefängnis: „Wir wussten zunächst nichts von den Strahlungen“, sagt Pauline. Die Frauen machten sich sachkundig und führten mit anderen Kräften eine Kampagne des Ungehorsams durch. „Wir glauben an das Leben und wollen es schützen.“
Es gab auch Erfolge: 1993 erhielten die Shoshone-Schwestern und Rancherinnen Mary und Carry Dann aus Crescent Valley/ Eureka County den Alternativen Nobelpreis für ihren unermüdlichen Kampf um die Anerkennung der verbrieften Landrechte ihres Volkes – seit Jahrzehnten treten sie für die indigenen Landrechte und gegen Umweltzerstörungen im traditionellen Siedlungsgebiet der Westlichen Shoshone ein, das knapp 2/3 des US-Bundesstaates Nevada und Randgebiete Idahos im Norden und Kaliforniens im Südwesten (Timbisha-Shoshone, Death Valley) umfasst.
Im März 2006 verurteilte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung die USA wegen Verletzung der Landrechte der Western Shoshone; er zeigte sich außerdem besorgt über die US-Versuche, traditionelles Land zu privatisieren, um es den multinationalen Gold- und Energiekonzernen zur Verfügung zu stellen.
Heute sind es nur noch zwanzig Timbishas, meist ältere Menschen, die im Indian Village in Furnace Creek/Death Valley leben. Kein einfaches Leben, denn es gibt kaum Infrastrukturen. Die Schule befindet sich im Wüstendorf Shoshone, rund 90 km vom Village entfernt, die Klinik in der Geld-, Spiel- und Sex-Stadt Las Vegas (160 km); um Gemüse und Obst zu kaufen, muss man über zwei Berge hinaus nach Parhump fahren, einer rund 50.000 einwohnerstarken Wüstenstadt, in der es Lebensmittelgeschäfte gibt.
Leben, Kultur, Gesundheit und Landrechte der Shoshones sind weiterhin bedroht. Die nächsten Herausforderungen stehen vor der Tür: um die Atommüllkippe der Nation auf dem Yucca-Mountain und um den Goldabbau im Panamint-Gebirge – beide heilige Stätten der Indigenen.
Die Goldpreise steigen, es gibt neue Projekte zum Ausbau der Briggsmine. Das bedeutet Luftverschmutzung, Wasservergiftung und die Verwandlung der Landschaft in verseuchte Halden. Dagegen protestieren Barbara und Pauline.
Zum anderen soll im Yucca Mountain/ Nevada hochradioaktiver Atommüll ab 2010 aus den 131 Atomkraftwerken der USA endgelagert werden; 77.000 Tonnen werden durch das ganze Land rollen. Indigenes Gebiet wird hiermit zerstört, das Grundwasser von Verseuchung bedroht.
Pauline beklagt das Desinteresse ihrer Landsleute: „Die Amerikaner sind von ihren Regierungen so überzeugt, sie sind zufrieden und wollen sich nicht einmischen.“ Barbara meint, dass ihre Landsleute es bei den nächsten Wahlen besser mit den Demokraten als mit den Konservativen hätten – sie wird für Hillary Clinton, ihre Tochter dagegen für Barack Obama stimmen.
Doch herrscht Aufbruchstimmung im Tribal Office an jenem heißen Apriltag: „Wir haben nie aufgegeben und wir werden hier weiterleben“, sagt Barbara mit Bestimmtheit. Im Spätherbst 2007 wurde das Community Center eröffnet. Ein Toiyabe-Gesundheitszentrum steht bevor, das die traditionelle Art mit Technologien der westlichen Medizin verbinden soll. „Wir werden demnächst ein Museum haben, um unsere eigene Geschichte zu erzählen und unsere traditionellen Körbe und Tonkunst zu zeigen“, so Barbara. Im offiziellen Besucherzentrum sind die Timbishas nicht vorhanden. Die Sprache – eine uto-azketische Sprache – soll von den Älteren, darunter Pauline Esteves, im Unterricht und in schriftlicher Buchform vermittelt werden. „Ich spreche nur englisch“, bedauert Barbara, „aber ich verstehe Shoshone.“ „Und wir planen eine kleine Gaststätte“, fügt sie hinzu. Ein naturnaher Tourismus. Damit die Timbishas nicht mehr vom Nationalpark und vom Unternehmen Xanterra abhängig sind. „Ohne Land keine Identität“, sagt Barbara, „es ist wichtig zu wissen, woher man kommt.“
Schließlich ist die Hoffnung da, dass irgendwann die verstreuten Timbishas zum Indian Village zurückkehren. Barbara ist sicher, dass ihr 8 Jahre alter Enkel Gordon, der die Sanddünen und bunten Felsformationen liebt, einmal ganz zurückkehren wird. Und vielleicht auch irgendwann ihren Kampf fortsetzen wird, damit der Name Death Valley nicht zuletzt zur Prophezeiung für die Shoshones wird.
Florence Hervé